Umstrittener Sänger bekommt eine Bühne

  • Der Sänger Stefan Krähe singt bei einer von der AfD Brandenburg abgehaltenen und als „Friedensdemo“ angemeldeten Veranstaltung auf dem Cottbuser Oberkirchplatz im April 2023. Frank Hammerschmidt/dpa
  • 2019 fand das letzte Fischerfest in Peitz statt. Diese Jahr wartet der Veranstalter mit einem lokalen Überraschungsgast auf: Stefan Krähe. Michael Helbig
  • Auf dem Konzert von Stefan Krähe an der Synagoge in Cottbus sind zahlreiche Mitglieder des AfD-Kreisverbands Cottbus zugegen, unter anderem Kreisvorsitzender Jean-Pascal Hohm (rechts neben dem Strauch) und Andy Schöngarth (vorn im blauen T-Shirt). Lukas Märkle
  • Lars Schieske (Mitte), Landtagsabgeordneter der AfD in Brandenburg, auf dem Konzert von Stefan Krähe auf dem Schlossplatz im Juni 2023 mit einem „Support Krähe“-T-Shirt. Heike Reiß
  • Der Sänger Stefan Krähe bei einer als „Friedenskundgebung“ bezeichneten Veranstaltung auf dem Cottbuser Oberkirchplatz im Februar 2023 – Motto „Die Reformation 2.0 kommt nach Cottbus“. Foto: Michael Helbig

Auftritt Der Musiker Stefan Krähe wird in der Lausitz gern für Volksfeste gebucht. Veranstalter stehen dafür in der Kritik. Denn Auftritte genießt der Sänger auch als lautstarker Befürworter von Querdenkern, Corona-Leugnern und Reichsbürgern.

Der Musiker Stefan Krähe, ehemaliger Frontmann der Band „SIX“, tingelt in Ostdeutschland von einem Volksfest zum nächsten. Doch mehrere Auftritte des Sängers wurden inzwischen abgesagt: Magdeburg, Potsdam, Cottbus. Auf dem Fischerfest in Peitz soll er spielen. Trotz mutmaßlicher Verbindungen zur Reichsbürger-Szene.

Nach drei Jahren Pause wird das Fischerfest am ersten Augustwochenende wieder Tausende nach Peitz ziehen. Neben Fahrgeschäften, Fischerstechen und Tanz lockt ein vielfältiges Bühnenprogramm. Der Stargast am Montagabend: Stefan Krähe.

Auch für das jüngste Cottbuser Stadtfest war der Sänger gesetzt. Sein Stammrefugium: die Bühne am Oberkirchplatz. Auf der eigenen Homepage hatte Krähe den Auftritt schon vor Veröffentlichung des offiziellen Programms angepriesen.

Doch nicht nur auf der musikalischen Bühne fühlt sich der Mann aus Jüterbog wohl. Mitte Juli vergangenen Jahres trat er nach Recherchen des Tagesspiegels bei einer Demonstration in Berlin zwischen zwei Reden auf, in denen die Existenz der Bundesrepublik Deutschlands geleugnet wurde.

Mit „Exilkanzler“ im Kino

Im Herbst 2022 sitzt Stefan Krähe im Cottbuser Kino „Weltspiegel“ mit dem mehrfach wegen Betrugs vorbestraften Ralph T. Niemeyer, dem selbst ernannten „Exilkanzler“ Deutschlands, auf dem Podium. Niemeyer reiste im September letzten Jahres nach Russland, um dort unter anderem mit dem russischen Außenminister Sergei Lawrow, Putin-Sprecher Dmitri Peskow und Gazprom-Chef Alexei Miller zu sprechen.

Niemeyer bezeichnete sich im russischen Fernsehsender „Russia Today“ als „letzter Ansprechpartner für Russland in Deutschland“ und vermeintlicher Anführer einer deutschen Oppositionsgruppe, die für Deutschland Friedensverhandlungen führen wolle. In Cottbus wird Niemeyers Behauptung, Deutschland sei kein souveräner Staat, sondern nur ein bezahlter Vasall der USA, mit frenetischem Beifall – auch von Krähe auf der „Weltspiegel“-Bühne zustimmend – kommentiert.

Nach Nachfrage der Lausitzer Rundschau zum Programm beim Cottbuser Stadtfest teilte Rathaus-Sprecher Jan Gloßmann schließlich mit, dass Stefan Krähe nicht auftreten wird. In die Saiten greift der Musiker am Stadtfest-Wochenende dennoch – zwischen der Synagoge und dem ehemaligen jüdischen Kaufhaus „Schocken“. Die Inhaber der Autohäuser Knott und Schulze sowie die „Mittelstandsinitiative Brandenburg“ haben den Sänger für ein Konzert direkt am Schlosskirchplatz gebucht.

Knott: „Begnadeter Künstler“

Berührungsängste mit Krähe gibt es bei Thomas Knott und Matthias Schulze, der Krähe im Namen der Initiative begrüßt, augenscheinlich nicht. Krähe sei ein „begnadeter Künstler“, sagt Knott. „Ich habe bei allen mir vorliegenden Informationen nur politisch kritische, aber sich auf dem Grundgesetz bewegende Inhalte von Herrn Krähe zur Kenntnis nehmen können.“

Schulze, der „im Namen der Mittelstandsinitiative“ auf die Anfrage der Rundschau antwortet, sieht einen Künstler „der sehr scharf die Sorgen, Nöte und Bedenken der Menschen in unserem Land in seinen Musiktexten und Liedern verarbeitet“.

Keiner der beiden Akteure distanziert sich von Krähe. „Ein Auftrittsverbot kommt bei Künstlern einem Berufsverbot sehr nahe und ist ein scharfes Schwert. Nur zu gut kann ich mich noch an Auftrittsverbote von regierungskritischen ostdeutschen Künstlern vor 1989 erinnern“, sagt Knott.

Im „inneren Kreis“ der Initiative habe es eine Abstimmung über den Auftritt von Stefan Krähe gegeben, erklärt der Unternehmer. Niemand hat sich laut Knott dagegen ausgesprochen. Doch nicht alle auf der Website der Initiative namentlich gelisteten Unterstützer sind dabei wohl einbezogen worden.

Schöpe distanziert sich

Olaf Schöpe, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes Brandenburg, sagt: „Ich wusste gar nicht, dass die Mittelstandsinitiative das mitorganisiert hat.“ Schöpe hat sich, nach eigenen Angaben, während der Pandemie in dem Bündnis engagiert, um der Politik ein wenig auf die Füße zu treten. Seither halte er sich raus. „Ich distanziere mich in jeder Form von extremistischen Geschichten“, ergänzt er. Seinen Namen will er zeitnah aus der Unterstützerliste der Initiative entfernen lassen.

Die Krähe-Veranstaltung in Cottbus wurde auch zum Treffpunkt für den örtlichen Kreisverband der AfD. Anwesend waren unter anderem die Landtagsabgeordneten Lars Schieske und Daniel Münschke.

Der Stadtverordnete Andy Schöngarth verfolgte den Auftritt in einem T-Shirt der bei Rechtsextremen beliebten Modemarke Label23, während der Cottbuser AfD-Vorsitzende Jean-Pascal Hohm „Support-Krähe“-Shirts gegen Spenden verteilte. Man habe ein „Zeichen für die herausragende Bedeutung der Meinungsfreiheit“ setzen wollen, sagt Hohm. Er schränkt ein: „Mit den konkreten politischen Aussagen von Stefan Krähe habe ich mich nicht im Detail beschäftigt.“

Die AfD Brandenburg gilt seit 2019 als rechtsextremistischer Verdachtsfall.

Stadt Peitz wusste nichts

Auch für die Organisatoren des Fischerfests, den Peitzer Fischerfest Verein, scheint der Hintergrund von Stefan Krähe keine Rolle zu spielen. Trotz mehrmaliger Nachfrage der Rundschau äußert sich der Veranstalter nicht zur Sachlage.

Auf Facebook antwortet der Fischerfest-Verein einer Nutzerin bezüglich des Krähe-Auftrittes, dass die Entscheidung, den Sänger nach Peitz zu holen, keine politische war, „sondern weil er und seine Band einfach geniale Musik machen“.

Krähes Auftritt auf dem Fischerfest wird am kommenden Montag stattfinden. Die Stadt Peitz ist seit 2018 kein Veranstalter des Volksfests mehr. Sie stellt jedoch Teile des Volksparks als Festplatz zur Verfügung – gegen eine Gebühr von 1500 Euro.

Von Krähes Auftritt wusste im Rathaus nach eigenen Angaben niemand. „Alles, was mit dem Programm zusammenhängt, damit haben wir gar nichts zu tun“, sagt Bürgermeister Jörg Krakow (FDP). Für Mitte Juni habe es einen Programm-Entwurf gegeben, in dem für Montag lediglich ein „Überraschungsgast aus der Region“ angekündigt wurde, ergänzt Amtsdirektorin Elvira Hölzner.

Sie und der Bürgermeister der Stadt Peitz distanzieren sich von jeglichen rechtspopulistischen Äußerungen. „Man kann diskutieren über geschichtliche Entwicklungen. Reden ist okay. Aber politische Ansichten radikalisieren und nach außen tragen, ist eine andere Geschichte“, so Jörg Krakow.

Mit Knappe in Guben

Auf der Bühne stand Stefan Krähe trotzdem.  So auch am vergangenen Samstag mit dem Cottbuser Sänger Alexander Knappe bei einem Konzert in Guben. Auf Nachfrage der Rundschau sagt Knappe dazu: „Ich bin vom Booker zuerst gebucht worden. Natürlich hab ich mich mit meinem Team beraten, wie wir damit umgehen. Wir haben uns dazu entschieden, zu spielen“, sagt der Sänger.

„Ich teile seine gesellschaftlichen und politischen Meinungen nicht. Natürlich ist es schwierig, wenn man als Künstler, Musiker, Influencer seine Reichweite nutzt, um Meinungen zu transportieren und zu streuen. Aber da muss jeder für sich selber entscheiden.“

Krähe sieht Land als besetzt

Krähe hat sich entschieden, seine entsprechende Reichweite zu nutzen. Auf die Frage, ob er die von Niemeyer in Cottbus getätigte Aussage, Deutschland sei nach wie vor ein besetztes Land, teilt, antwortet der Sänger: „Solange wir im Bundeshaushalt einen Etat für Kosten der Besatzung haben, muss ich wohl davon ausgehen.“ Außerdem: „Wenn im Grundgesetz steht, dass  das deutsche Volk in freier Entscheidung‘ eine Verfassung machen soll, dann könnte man wohl davon ausgehen, dass das Grundgesetz keine Verfassung ist.“

Der brandenburgische Landesverfassungsschutzbericht von 2022 weist darauf hin, dass Reichsbürger und Selbstverwalter „behaupten, Deutschland habe keine gültige Verfassung und sei damit als Staat nicht existent oder das Grundgesetz habe mit der Wiedervereinigung 1990 seine Gültigkeit verloren.“ Weiterhin gehen Szene-Angehörige laut des Berichtes davon aus, dass die Bundesrepublik nur „eine Scheinbehörde oder eine übergangsweise von den Alliierten eingesetzte Verwaltung“ sei. Positionen, die Stefan Krähe gern bedient.

Das Geld eben jenes Staates, der für den Musiker nicht existiert, nimmt er jedoch gern an. Gegenüber der Rundschau bestätigt Stefan Krähe, dass er Corona-Hilfen erhalten hat. Und das, obwohl er auf Telegram, Instagram und TikTok regelmäßig leugnet, dass es die Pandemie tatsächlich gebe. Auf die Frage, warum er die Hilfen dennoch beantragt hat, heißt es vonseiten des Sängers, hier „sehe ich keinen Zusammenhang“.

Ein Auftrittsverbot kommt bei Künstlern einem Berufsverbot sehr nahe. Thomas Knott Cottbuser Unternehmer

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