Handwerksbetriebe in Not
Wirtschaft In Elbe-Elster kämpfen Mittelständler mit Fachkräftemangel und hohen Kosten. Die Situation könnte sich weiter verschärfen, wie Umfragen zeigen. Der Kreistag will nun Antworten finden.
Der Mittelstand in Elbe-Elster hat große Sorgen. Erst vor wenigen Tagen beklagten Unternehmer aus der Region bei einem Treffen mit Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in Finsterwalde den Fachkräftemangel. Aktuelle Zahlen bestätigen, dass das Problem gravierende Folgen haben kann: So sieht fast jeder zweite Mittelständler (47,85 Prozent) sein Unternehmen durch das altersbedingte Ausscheiden von Wissens- und Leistungsträgern in seiner Existenz bedroht. Dies geht aus einer aktuellen Umfrage des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW) hervor.
„Der Fach- und Arbeitskräftemangel in Deutschland ist der Wachstums- und Wohlstandskiller Nummer 1“, sagt Christoph Ahlhaus, BVMW-Bundesgeschäftsführer. „Wenn die ohnehin schon gebeutelten Unternehmen jetzt auch noch Millionen Beschäftigte in die Rente verabschieden müssen, stellt dies gerade kleine und mittlere Unternehmen vor riesige Herausforderungen“, so Ahlhaus.
Probleme überlagert
Im Landkreis Elbe-Elster sieht es nicht anders aus, wie die Unternehmer kürzlich bei ihrem Treffen in Finsterwalde bestätigten. Frank Neczkiewicz vertritt als Geschäftsführer der Finsterwalder Landwirtschafts GmbH den Mittelstand. Darüber hinaus engagiert er sich als Kommunalpolitiker im Kreistag Elbe-Elster. Dort will seine Fraktion LUN/UWG/Oec die Anliegen des Mittelstandes wieder stärker in die Öffentlichkeit tragen.
„Vielleicht stellt sich heraus, dass bei uns im Landkreis alles super ist, aber das glaube ich nicht“, sagt Neczkiewicz. Vielmehr habe er den Eindruck, dass die Themen Krankenhaus und Haushalt derzeit im Landkreis alles andere deutlich überlagern.
Seine Fraktion hat deshalb eine Anfrage für die nächste Kreistagssitzung am 7. Oktober vorbereitet. Die Situation großer Unternehmen wie BASF, VW oder Thyssen-Krupp werde medienwirksam für jedermann dargestellt, heißt es in dem Schreiben an die Kreisverwaltung. Die Unternehmen im Landkreis Elbe-Elster hätten aber mit den gleichen Problemen zu kämpfen. Der Kostendruck mache zunehmend ratlos. Steigende Energiekosten, explodierende Abgaben an Berufsgenossenschaften, ständig steigende Kosten für Lohn- oder Einkommenssteuer, Versicherungskosten und Krankenkassen, unerwartete Gebühren, Bürokratie, realitätsfremde Vorgaben und Unwissenheit zu Betriebs- und Geschäftsabläufen würden Unternehmer dazu treiben, ihre Geschäfte aufzugeben.
Viele Tischlereien, Klempnereien, Heizungsbauer, Elektriker, Schlossereien, Malerbetriebe, Metzgereien, Bäckereien, Einzelhandelsgeschäfte und auch landwirtschaftliche Betriebe seien in den letzten Jahren verschwunden, heißt es weiter. Oft gebe es kaum noch einen Reparaturbetrieb. Dabei würden all diese Betriebe mit ihren hohen Steuern und Abgaben einen großen Beitrag zur allgemeinen Lebensgestaltung in unserer Region leisten.
Die Fraktion möchte daher von der Kreisverwaltung wissen: Wie viele Unternehmen/Gewerbebetriebe, insbesondere Handwerksbetriebe, haben sich in den letzten zehn Jahren abgemeldet? Welche Betriebe/Handwerkszweige sind besonders betroffen? Wie viele landwirtschaftliche Betriebe haben sich in den letzten zehn Jahren abgemeldet? Droht eine weitere Verschlechterung der Situation? Wie wird gegengesteuert, welche konkreten Maßnahmen gibt es?
Viele Betriebe verschwinden
„Wir tun immer so, als wenn alles so gut und glattläuft“, so Neczkiewicz. Aber durch die neue Gebührenordnung für Fleischbeschau, die der Landkreis auf den Weg bringen will, hätten er und seine Fraktions-Mitstreiter mitbekommen, dass neben den Landwirtschaftsbetrieben auch Verarbeiter, Schlachtereien oder Fleischer richtig große Probleme hätten, nennt er ein aktuelles Beispiel. „Und wenn wir uns so umgucken, wie viel Handwerksbetriebe mittlerweile verschwinden, wo die Produktion irgendwo verlagert wird oder nicht mehr stattfindet, dann machen wir uns schon Sorgen“, erklärt der Landwirt.
Deshalb sei eine Bestandsaufnahme im Landkreis erst einmal wichtig. Und dann stelle sich die Frage, mit welchen Mitteln man gegensteuern könne. Neczkiewicz: „Da bin ich ehrlich, da habe ich auch noch keinen Plan im Kopf“.
Leuchtturm Holzdorf zu wenig
Landes- und Bundespolitik nimmt der Unternehmer aber deutlich in die Pflicht. „Ja, wir haben den Leuchtturm Holzdorf, wo jetzt eine Schule gebaut wird und Gelder hinfließen. Aber was ist mit dem Rest des Landkreises?“, fragt er.
Dass die Sorge der Elbe-Elster-Kreistagsabgeordneten nicht ganz unbegründet ist, zeigen Zahlen der Handwerkskammer Cottbus. Demnach waren im Jahr 2019 im gesamten Kammerbezirk 9720 Betriebe gemeldet, davon in Elbe-Elster 1822. Dazu gehörte das Bau- und Ausbaugewerbe (515), Elektro- und Metallgewerbe (609), Holzgewerbe (167), Bekleidungs-, Textil- und Ledergewerbe (101), Nahrungsmittelgewerbe (65), Gesundheits- und Körperpflege sowie chemische und Reinigungsgewerbe (288) sowie Glas-, Papier-, keramische und sonstige Gewerbe (77).
Im Jahr 2024 waren es noch 9259 Betriebe, davon in Elbe-Elster 1680 –also deutlich weniger. Sie teilten sich wie folgt auf: Bau- und Ausbaugewerbe (451), Elektro- und Metallgewerbe (556), Holzgewerbe (164), Bekleidungs-, Textil- und Ledergewerbe (81), Nahrungsmittelgewerbe (67), Gesundheits- und Körperpflege sowie chemische und Reinigungsgewerbe (278), Glas-, Papier-, keramische und sonstige Gewerbe (83).
Wir tun immer so, als wenn alles so gut und glattläuft. Frank Neczkiewicz Landwirt