Kann der Spreewald beim Bundeswettbewerb punkten?

  • Im Jahr 2019 hat die Gemeinde Dissen bei Cottbus den Bundespreis in Gold gewonnen. Das Geld wurde in einen Spielplatz und Sportanlagen investiert. MICHAEL HELBIG
  • Bundeslandwirtschaftsminister Cem Oezdemir (Gruene) auf dem Acker im Regen. Seine Ministerium verantwortet den „Unser Dorf hat Zukunft“ Wettbewerb. Hans Christian Plambeck/laif

„Unser Dorf hat Zukunft“ Mehrfach konnten Brandenburger Dörfer schon beweisen, dass sie eine goldene Zukunft haben. Für 2024 locken wieder hohe Preisgelder.

Glaubt man den Schwarzmalern, haben es viele Dörfer in der Region schwer, den Blick nach vorne zu richten. Junge Menschen ziehen gen Großstadt. Die Infrastruktur bricht weg. Bäcker, Friseure, Fehlanzeige. Von regelmäßigem ÖPNV oder medizinischer Versorgung ganz zu schweigen. Welcher junge Student will heutzutage schon Landarzt werden? Oder Busfahrer? Wie gesagt, wenn man den Apokalyptikern Glauben schenken will, hat das Dorfleben seinen Zenit längst überschritten.

Löst man sich von der negativen Sicht auf die Dinge, öffnet sich der Blick auf eine andere Perspektive. Eine positive. Das Leben auf dem Lande bietet Möglichkeiten. Perspektiven. Es offenbaren sich unmittelbare Möglichkeiten, sich in die Entwicklungen und Planungen seiner ländlichen Gemeinschaft einzubringen. Große Hürden, wie sie in der Stadt zu überwinden sind, gibt es nicht. Vorbeikommen und mitmachen. Sei es, um das nächste Dorffest zu planen oder sich als Vertreter der Dörfer in der Stadtverordnetenversammlung für die Teilhabe an der Energiewende zu engagieren. Dorf kann, Dorf will etwas bewirken.

Den Blick gen Zukunft gerichtet

Um auch über die eigenen Grenzen hinaus eine Sichtbarkeit zu schaffen, gibt es den alle drei Jahre stattfindenden Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft!“. Bereits zum 28. Mal lädt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft Dörfer mit bis 3000 Einwohnern zum großen Ideenaustausch. Bestand hat der traditionsreiche Wettbewerb bereits seit 1963, die Teilnehmerdörfer der alten und neuen Bundesländer werden aber erst seit 1993 gemeinsam bewertet. Die Schirmherrschaft obliegt dem Bundespräsidenten.

Entwicklung sichtbar machen

Ziel ist es, bürgerschaftliches Engagement und die positiven Entwicklungen in ländlichen Regionen besser sichtbar zu machen. Vorbildliche Ideen und innovative Konzepte stehen hierbei im Fokus. 2023 wurden aus rund 1100 Teilnehmerdörfern 22 Bundessieger ausgewählt und im Rahmen der Endrunde nochmals gesondert bewertet. So ging ein Preis in Gold mit einer Gewinnsumme über 15.000 Euro nach Fredersdorf im Landkreis Potsdam-Mittelmark.

Auch in Neutrebbin im Landkreis Märkisch-Oderland konnte man sich im vergangenen Jahr über eine Auszeichnung in Silber freuen. Diese wurde mit 10.000 Euro für die Dorfkasse veredelt. Bedenkt man, dass das Budget einer kleinen Gemeinde oft nur wenige Hundert Euro im Jahr ausmacht, wie Uwe Voigt, Vertreter von Gießmannsdorf im Stadtrat Luckau kürzlich berichtete, gleicht das Preisgeld einem Lottogewinn.

Doch etwas mehr Arbeit als ein paar Kreuzchen auf einem Zettel zu machen, ist die Teilnahme an dem Wettbewerb schon.

Fred Kaiser, Bürgermeister des Dorfes Dissen, ein Ortsteil der Gemeinde Dissen-Striesow im Landkreis Spree-Neiße, konnte mit seinem Dorf 2019 den Bundespreis in Gold gewinnen. In der Folge kam man sogar zu einer Bronzeauszeichnung auf europäischer Ebene. Das erste Mal, so erzählt Kaiser, habe man 1998 am Kreiswettbewerb teilgenommen. „Wir hatten alles schick gemacht und der Kommission unsere neuesten Häuser präsentiert“, so Kaiser, „die wollten aber unsere alte Bausubstanz sehen. Neues hat die gar nicht interessiert.“ So sei aus der Teilnahme auch ein Lernprozess geworden, der das Dorf über viele Jahre immer weitergetragen habe. „Man braucht schon gute Ideen und vor allem viele positiv Verrückte, um am Ende unter die Preisträger zu kommen“, erzählt der Dorfchef. Man habe damals alles rausgehauen, was das 600 Einwohner zählende Dorf zu bieten hatte.

Rückblickend, so Kaiser, habe sich das auf alle Fälle gelohnt. „Auch weil man immer wieder alles analysiert hat, auch die Misserfolge“, so der Dissener Bürgermeister. Auf diese Weise habe man sich immer weiterentwickelt und zehre bis heute davon. Das Preisgeld, das war von vornherein klar, so Kaiser, habe man in die Sportanlage und den Spielplatz investiert. Eine Investition in die Zukunft.

Die gemeinschaftliche Idee zählt

Es geht bei den Einreichungen aber nicht immer um das große Ganze. Auch vermeintlich kleinere Projekte führten in der Vergangenheit zu einer Auszeichnung. So überzeugten die Preisträger der Sonderpreise im vergangenen Jahr mit Konzepten zum Thema „Kalte Nahwärme“ (zukunftsweisende, klimaneutrale Heizung durch Umweltwärme), „digitale Dokumentation der Dorfgeschichte“, „einem Mehrgenerationenzentrum“ sowie „einem gemeinschaftlich organisierten Nahversorgungszentrum mit Generationentreffpunkt“.

Dafür gab es je 3000 Euro von Bundesminister Cem Özdemir (Grüne), verbunden mit einem großen Lob, welches im übertragenen Sinne für alle teilnehmenden Dörfer gilt: „Die Menschen vor Ort haben sich ganz unterschiedlich den Herausforderungen in ihren Gemeinschaften gestellt und ihre Vorstellungen von einem attraktiven Dorfleben verwirklicht. Entscheidend ist, und das gilt für alle Teilnehmenden: Wer sich mit Herzblut und guten Ideen einsetzt, leistet einen wichtigen Beitrag für lebenswerte und zukunftsfähige ländliche Regionen“.

Auch in diesem Jahr sind Dörfer mit bis zu 3000 Einwohnern und überwiegend dörflichem Charakter aufgerufen, am Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ teilzunehmen. Eine Bewertungskommission, die durch den Landrat berufen wird, nimmt die Antragsunterlagen entgegen. Die Abgabefrist für den Kreiswettbewerb, dessen Gewinner in der Folge auf Landesebene und schließlich im Bundesvergleich antreten, endet bereits am 30. April 2024. Mitmachen lohnt sich also und bietet eine gute Gelegenheit für den Spreewald und seine Dörfer, den Untergangszenarien einiger weniger mit positiven Beispielen entgegenzutreten. Auch wenn es manchmal etwas länger dauert, bis man sich im Kreise der Preisträger wähnt.

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